Erstmals belegen Epidemiologen einen nachhaltigen Durchbruch in der Krebstherapie: Die Zahl der als geheilt geltenden Krebspatienten nimmt in Europa deutlich zu. Zu diesem Ergebnis gelangen Experten der internationalen EUROCARE-4 Working Group. Die Zahlen repräsentieren 150 Millionen Menschen der europäischen Bevölkerung.

Angesichts der Bedeutung widmet das European Journal of Cancer (EJC) die am heutigen Dienstag erschienene Ausgabe ganz diesem Thema. Denn nie zuvor war die zu Grunde gelegte Patientendatenmenge so umfangreich wie jetzt. 93 Krebsregister aus 23 europäischen Ländern lieferten jene Informationen, aus denen Politik und Ärzteschaft wichtige Rückschlüsse über das weitere Vorgehen bei der Krebsbekämpfung ableiten können. Die ausgewertete Datenbasis umfasste 13.814.573 diagnostizierte Krebsfälle, die sich zwischen 1978 und 2002 ereigneten. Davon handelte es sich bei 5,2 Millionen Datensätzen um Angaben über überlebende Patienten.

Für den italienischen Mediziner Riccardo Capocaccia vom National Centre for Epidemiology, Surveillance and Health Promotion in Rom, der als Gastautor der EJC die Resultate der Working Group kommentiert, sind die nun vorgelegten Zahlen „beachtenswert, weil sie einen echten Fortschritt in der Krebsbekämpfung belegen.“ Man kann es auch anders ausdrücken: Weil Europa gerade vor dem Fall des Eisernen Vorhangs über unterschiedliche Gesundheitskonzepte und verschiedene medizintechnische Ansätze verfügte, fallen in der Retrospektive auch die Heilungsraten je nach Land zum Teil ganz anders aus. Doch selbst die geographischen und vermeintlich wirtschaftlichen Giganten in Europa machen beim Betrachten der Studie mitunter dicke Backen – weil sie entgegen mancherlei Erwartungen nicht immer an der vordersten Erfolgsfront mitmischen.

So liegt im allgemeinen Heilungs-Ranking bei Männern keins der großen europäischen Länder an der Spitze. Das EJC berichtet, dass in Island 47 aller männlichen Krebspatienten die Krankheit für immer besiegen, in Polen aber Ärzte diesen Kampf am seltensten für sich entscheiden können und lediglich 21 Prozent der Tumorpatienten wirklich heilen. Anders indes sieht es bei den Frauen aus. Hier liegen Finnland und Frankreich mit 59 Prozent ganz oben auf der Heilungsskala, Polen bringt es auf lediglich 38 Prozent.

Warum aber sollte man dem monströsen Werk mit seinen Zahlenspielereien überhaupt Glauben schenken? Kann eine Studie, die den Geheilten die gleiche Lebenserwartung wie Menschen ohne Krebs attestiert, überhaupt glaubwürdig sein? Vermutlich schon, wie der Blick ins Eingemachte offenbart: Die Ergebnisse sind nämlich im Vergleich zu anderen Studien nicht durch den sogenannten lead-time Effekt verzerrt. Darunter verstehen Epidemiologen Fälle, bei denen zwar eine frühe Diagnose die Überlebensspanne statistisch erhöht, weil der Zeitpunkt der Erfassung nach vorne gelegt wird – aber der Patient am Ende doch genau so schnell verstirbt wie ohne frühe Diagnose.

Die Umschiffung solcher Klippen macht EUROCARE-4 letztlich so wertvoll. Sie erlaubt, anders als andere Ansätze, nur eine Lesart: Welche Krebsart in welchem Land zu welchem Prozentsatz endgültig geheilt wurde hat handfeste präventive, diagnostische und therapeutische Ursachen. Klingt logisch. Ließ sich aber bisher nicht derart untermauern.

Für Mediziner sind derartige Statistiken eine wahre Fundgrube. Denn sie verraten, ob bestimmte Therapien und Vorsorgemaßnahmen nachhaltig wirken – oder eben auch nicht. So gelten in Frankreich 60 Prozent aller Prostatakrebsfälle irgendwann als geheilt, während es Dänemark in diesem Bereich lediglich auf 14 Prozent bringt. Die erhebliche Diskrepanz sei eine Folge der PSA-Test-Intensität (Krebsvorsorgetest) beider Länder, konstatieren die Autoren, betonen aber im gleichen Atemzug, dass die Dänen ähnliche Heilungschancen aufweisen, wie die restlichen nordeuropäischen Länder.

[B]Screening zeigt Erfolge[/B]
Dass frühe Screenings der dann folgenden Therapie zum Erfolg verhelfen demonstriert auch ein Blick auf die Brustkrebsfälle. Immerhin 10 Prozent beträgt der Erfolgsunterschied zwischen Westeuropa und Ländern wie Polen, Tschechien oder Slowenien – weil viele westeuropäische Länder seit Mitte der 1990er Jahre Brustkrebs-Screenings durchführen, die östlicheren indes nicht. Ohnehin fallen die geographischen Variationen mitunter drastisch aus. Allein die Heilungsrate bei Magenkrebs kann, je nach Gegend, neun oder eben auch 27 Prozent betragen. Bei Lungenkrebs schwankt diese Zahl statistisch zwischen vier und zehn Prozent, Dickdarmtumoren können in 25 bis 40 Prozent aller Fälle als geheilt betrachtet werden. Je nachdem, wo man gerade lebt.

Als besonders aussagekräftig gilt eine weitere Statistik. Nicht nur die Anzahl der nachhaltig Geheilten steigt, auch die Prozentzahl der 5-Jahres Überlebenden nimmt zu und liegt mittlerweile bei 50 Prozent. Für Epidemiologen Capocaccia legen die einzelnen Statistiken gleichzeitig Schwachpunkte des europäischen Monitoringsystems offen – die man jetzt beheben kann. Ausgerechnet für Kinder und Jugendliche lägen beispielsweise in vielen Ländern keine verlässlichen Daten vor, weil dazu Krebsregisterdaten fehlten. Deutschland machte da eine Ausnahme, schwächelte im Betrachtungszeitraum dafür in einem anderen Bereich: Lediglich das Saarland lieferte auf Grund seines Krebsregisters verlässliche Patientendaten – und deckte damit, statistisch betrachtet lediglich ein Prozent der deutschen erwachsenen Bevölkerung ab.

Quelle: doccheck

[URL=”http://www.denta-beaute.at/zahnforum/blogs/belsky/22-herzinfarkt-oder-krebsleiden.html”]Lesen Sie dazu auch in unserem Blog![/URL]

Belsky Asked question 25. März 2009