[URL=”https://plus.google.com/111563056515594570939/posts”]Author: Jaroslav Belsky[/URL]

[B]Klinik[/B]
Patienten mit Trigeminusneuralgie (TN) leiden unter extrem heftigen, scharfen, elektrisierenden, blitzartig einschießenden, durch Kauen und Sprechen auslösbaren Schmerzattacken. Die Dauer beträgt Sekunden, gelegentlich auch bis zu 2 Minuten. Schmerzattacken können durch einfachste Berührung, z. B. mit einem Haar, ausgelöst werden. Andere Auslöser sind kalte Luft, Sprechen, Kauen, mimische Bewegungen, Zähneputzen und emotionaler Stress. Die sogenannten Triggerzonen können sehr klein sein, manchmal nur ein bis zwei Millimeter.
Multiple Attacken können täglich über Wochen bis Monate auftreten. Dumpfe, brennende oder klopfende Schmerzen können vorkommen, auch in Form eines Prodromalstadiums. Am häufigsten sind die Trigeminusäste V2 (Oberkiefer) und V3 (Unterkiefer) betroffen, entweder allein oder in Kombination, selten (4-17 %) die Äste V1, V2 und V3 zusammen.

[B]Epidemiologie[/B]
90 % der Fälle beginnen nach dem vierzigsten Lebensjahr mit zunehmender Tendenz mit höherem Lebensalter. Aufgrund der höheren Lebenserwartung sind etwa anderthalb mal soviel Patientinnen betroffen. Die jährliche Inzidenz liegt bei 3.4/100000 für Männer und bei 5,9/100.000 für Frauen. Die Inzidenz der TN wird im Vergleich zur GN auf 4,7 zu 0,8 auf 100000 geschätzt.

[B]Ätiologie[/B]
Bei der idiopathischen TN handelt es sich meist um ein vaskuläres Kompressionssyndrom mit pathologischen Kontakten zwischen einem (elongiertem) Gefäß und der Nervenwurzel unmittelbar nach Austritt aus dem Hirnstamm, im Falle der TN meist der Arteria cerebelli superior. Durch ständige Pulsationen entstehen segmentale Demyelinisierungen (Nervenhülle löst sich auf) der jeweiligen Nervenwurzel mit Fehlverbindungen, die als Ursache der Schmerzen angesehen werden.

Die Spezifität und Sensitivität der Korrelation zwischen dem MRT-Befund eines Gefäß-Nerven-Kontakts und der Symptomatik der TN liegt in den jüngeren Studien eher unter 80 %, wohingegen die Korrelation zwischen dem MRT-Nachweis von Plaques im Hirnstamm bei MS und der TN besser zu sein scheint.

Die Darstellung sollte Magnetresonanzangiograpie mit der genauer Beurteilung der Einzelschichten aus dem Schichtstapel umfassen, um etwaige Gefäßschlingen in direkter Nachbar-schaft zu detektieren sowie engschichtige coronare und axiale Darstellung des Kleinhirnbrückenwinkels und Ganglion Gasseri in T1 und T2-Gewichtung, sowie T1 mit Kontrastmittel und optional mit Fettsättigung umfassen. Umstritten ist daher, inwieweit es überhaupt eine „idiopathische“ TN gibt. Wahrscheinlich entsprechen die bislang als „idiopathisch“ klassifizierten Formen einer im MRT nicht nachweisbaren Form der vaskulären (Mikro-) Kompression.

TN aufgrund von Hirnstammläsionen bzw. raumfordernder Prozesse, wie Akustikusneurinome oder anderer Prozesse im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels kommen differentialdiagnostisch in Betracht. Sie führen indirekt zu einem pathologischen Gefäß-Nervenkontakt, da die Raumforderung die Wahrscheinlichkeit einer vaskulären Kompression begünstigt.

Bei der multiplen Sklerose als Ursache für eine Trigeminusneuralgie führt die Schädigung der Myelinscheide im Bereich der Eintrittsstelle der Nervenwurzel zu den Schmerzattacken. Die Abgrenzung symptomatischer Formen ist vor allem in Hinblick auf die Wahl invasiver Therapiemaßnahmen von Bedeutung. Es gibt zudem bei der MS aufgrund von Fallbeobachtungen eine Evidenz für eine spezifische Behandlung dieser Form mit Misoprostol 3 * 200 mg. Außerdem gibt es offene Studien, die auf eine Wirksamkeit von Lamotrigin und Gabapentin hinweisen.

Unter einer ebenfalls differentialdiagnostisch in Betracht zu ziehenden Trigeminusneuropathie versteht man Schmerzsyndrome nach Läsionen des N.trigeminus (durch Trauma, HNO-ärztliche und zahnärztliche Eingriffe, Zustand nach destruktiven Eingriffen im Bereich des N. trigeminus). Klinisch findet sich hier häufiger ein zusätzlicher Dauerschmerz zwischen den Attacken sowie eine Sensibilitätsstörung im Trigeminusversorgungsbereich. Die Kombination von Trigeminusneuralgie und Clusterkopfschmerz scheint eine eigene Entität darzustellen.

[B]Dauer[/B]
In der Regel ist der Verlauf progredient, in den Anfangsstadien finden sich noch schmerzfreie Intervalle von mehreren Monaten oder sogar länger als einem Jahr. 29 % der Patienten haben nur eine Episode in ihrem Leben, 28 % dagegen drei und mehr Episoden. In den ersten 5 Jahren treten jährlich bei 21 % der Patienten erneute Attacken auf. Mehr als die Hälfte der Patienten hat im weiteren Verlauf eine mindestens 6-monatige, ein Viertel eine zwölfmonatige Remission.

[B]Differentialdiagnose[/B]
Wichtige neurologische Differentialdiagnosen der idiopathischen Trigeminusneuralgie

[LIST]
[*]Cluster-KS
[*]SUNCT-Syndr.
[*][URL=”http://www.denta-beaute.at/forum/neuigkeiten-and-trends-medizin-zahnmedizin/1350-atypischer-gesichtsschmerz.html”]Atypischer Gesichtsschmerz[/URL]
[*]Trigeminus-Neuropathie
[*]Cervikogener Kopfschmerz
[*]Occipital-Neuralgie
[*]Migräne ohne Aura
[*]Spannungskopfschmerz
[*][URL=”http://www.denta-beaute.at/forum/neuigkeiten-and-trends-medizin-zahnmedizin/1351-burning-mouth-syndrom.html”]Burning mouth Syndrom[/URL]
[/LIST]

[B]Therapie Stand 2005[/B]

Das Vorgehen ist zunächst stets konservativ, nur bei Versagen der medikamentösen Therapie kommen operative Verfahren in Betracht. Psychotherapeutische Verfahren sind wirkungslos und nur bei erhöhter Suizidgefahr als begleitende Maßnahme indiziert. Unwirksam, leider aber immer wieder praktiziert, sind naturgemäß alle operativen Maßnahmen im Gesichtsschädelbereich wie Zahnextraktionen oder Kieferhöhlenoperationen.

Das Hauptziel besteht in der Attackenprophylaxe. Die einzelne Schmerzattacke klingt so früh ab, dass jede Therapie zu spät kommen würde. Im Bedarfsfall kann die medikamentöse Prophylaxe mit Antiepileptika sehr rasch aufdosiert werden. Rasche Schmerzfreiheit lässt sich z.B. durch langsame i.v. Injektion von 250 mg Phenytoin erzielen. Bei älteren Patienten kann eine langsamere Metabolisierungsgeschwindigkeit vorliegen, es sollten etwa 5 bis 10 mg/min, maximal 25 mg/min appliziert werden. Es schließt sich eine orale Therapie mit einer Dosis von 3 mg/kg Körpergewicht in verteilten Dosen an. Erfahrungsgemäß tolerieren extrem Schmerz geplagte Patienten mit häufigen Attacken nach entsprechender Aufklärung Nebenwirkungen der Antikonvulsiva, die bei raschem Aufsättigen in der Regel auftreten.

[B]Operative Therapie[/B]
Für die etwa 30-50 % der Patienten, die unter medikamentöser Behandlung nicht schmerzfrei werden, kommen operative Verfahren in Frage. Operative Verfahren sollten nur bei belegter Pharmakoresistenz, definiert als unzureichende Wirkung von mindestens 2-3 generell akzeptierten Antiepileptika, eingesetzt werden.

Belsky Asked question 3. August 2010