Hallo Hr. DDr. Belsky,
habe gerade einen Beitrag geschrieben, der ist aber leider irgendwie im Nirvana verschwunden.
Nochmal in Kürze:
Ich schlage mich seit über einem Jahr mit folgenden Symptomen, die vielleicht etwas, vielleicht aber auch nicht, mit den Zähnen/Kiefer zu tun haben, herum:
Schwindel (Schwankschwindel, Benommenheit – wie betrunken)
Gangunsicherheit
Manchmal Gehen wie auf Wellen
Manchmal Kopfschmerz
Manchmal Tinnitus (10 bis 15 Sekunden, aber nicht sehr oft)
Manchmal Pulsgeräusch im Ohr
Kiefergelenksknacken (nur rechts, ohne Schmerzen)
Leichtes Flimmern, wenn ich konzentriert auf ein unruhiges Muster (z. B. Boden) schaue
und ein paar weitere bunte Beschwerden.
Meine Ärzteodyssee:
Orthopäde Nr. 1: Manipuliert HWS (mehrmals 10x in den letzten 12 Monaten), meist C0/1 und C1/2 blockiert (und fallweise andere Gelenke der HWS); danach keine Beschwerden, aber am nächsten Tag ist alles wieder da. Orthopäde ist ratlos … Befund: Therapieresistentes HWS-Syndrom; meint ich solle es mit Homöopathie versuchen
Schmerztherapeut (obwohl ich keine Schmerzen habe – siehe unten): nein, keine Blockierung, Musken spielen verrückt … hat ein wenig die Kiefermuskulatur bearbeitet, aber hat auch gemeint, er kennt sich da auch nicht so aus.
Orthopäden gewechselt, in einer Gruppenpraxis gelandet: Ortho A meint: keine Blockierung, muskuläre Beschwerden – Physikalische Therapie, aber ohne Erfolg
Ortho B: Triggerpunkte – zum Physiotherapeuten geschickt. Physio sagt, ich habe keine Triggerpunkte und sie kennt sich mit der HWS nicht so gut aus. An Kollegen, der da mal eine Schulung hatte, verwiesen. Ersttermin erst nächste Woche.
Ortho C: Ich habe eine längeres und ein kürzeres Bein. Daher meine Beschwerden. Röntgen geschickt. Nächste Woche weiss ich mehr.
Daneben soll ich noch zum Neurologen, da meine Beschwerden doch sehr bunt sind. Ende der Woche weiß ich mehr.
In den letzten 12 Monaten war ich bei:
Allgemein Mediziner (zuerst physikalische Therapie, danach Trittico … alles wertlos und ohne Erfolg), HNO, Internist, Neurologe, Schädel-MRT, Schädel-Angiographie, HWS-MRT und Röntgen … alles ohne Befund
Dazwischen auch beim Zahnarzt: Stellt stark verspannte Kiefermuskulatur fest; Mundakupunktur (wie Infiltration); nach 10 bis 12 x keine Besserung, habe damit aufgehört.
Protrusionsschiene: habe ich, nehme ich sporadisch, sehe aber auch keine Änderung dadurch
Zähne: 2 x im Jahr zur Kontrolle, keinerlei Probleme, habe vor Jahren alle Amalgan-Füllungen auf Kunststoff tauschen lassen (ev. ein Fehler?)
1 oder 2 Zähne sind wurzelbehandelt, aber machen auch keine Probleme.
1 Weisheitszahn (rechts hinten unten) wurden vor ein paar Jahren entfernt (Dauer: über 1 Stunde, mach ich so nie wieder …)
Aja, in der Nasennebenhöhle gibt’s noch eine Zyste. Lt. HNO aber wurscht …
Konkret:
Ich bin nach wie vor überzeugt, dass meine Beschwerden von den Kopfgelenken kommen. Lt. Physio besteht zwischen Kiefergelenk und Kopfgelenken eine Beziehung. Wer ist jetzt schuld? Kopf- oder Kiefer, oder beide? Henne-Ei-Problem?
Ich habe einen starken Tiefbiss (ich glaube, das nennt man so; die Frontzähne des OK überdecken die Frontzähne des UK komplett)
Da ich nicht so in das klassische Wirbelsäulen-Schmerzschmema passe (bin zwar komplett verspannt – eigene Schuld, zulange sitzen, kaum Ausgleich – habe aber keine Schmerzen und keine Bewegungseinschränkungen – bin eher etwas hypermobil), ist die Diagnostik etwas erschwert bzw. herausfordernder.
Ich habe mal eine Spineliner-Untersuchung gehabt und da wurde schon festgestellt, dass C1 und C2 in ihrer Funktion eingeschränkt sind. Warum und wieso … keine Ahnung.
Mein Eindruck ist, dass sich viele Ärzte im Bereich der oberen HWS kaum auskennen bzw. diese auch nicht wirklich behandeln wollen, da es sich um ein eher schwieriges, sensibles Gebiet handelt.
Können Sie mir einen Arzt empfehlen, der sich in diesem Bereich auskennt und auch eine kompetente Diagnose stellen kann? Ich habe leider den Eindruck, sobald man vom Trampelpfad etwas abweicht, dann schaut man meist in fragende Weißkittel-Gesichter … (sorry für diesen Ausdruck).
Herzlichen Dank!
Gut, ich fasse zusammen …
Befund des NC (Mai 2016):
Arachnoidalzyste (Liquorgefüllt) auf Ebene des VIII. Hirnnerves (Bilde mir ein, er hat gesagt, dass die Zyste bis zum Trigeminus reicht)
auf Basis eines MRT’s vom April 2016
Befund des HNO (März 2016):
Hörtests sind alle in Ordnung.
Video-KIT zeigt pathologische Sakkaden links
BERA zeigt links retrocochleär verlängerte Interpeaklatenzen
cVEMPs: links nicht darstellbar, rechts gut darstellbar
oVEMPs: links nicht darstellbar, rechts gut darstellbar
Posturographie: unspezifisch mit erhöhter Sturzneigung
SVV: grenzwertige Unterschätzung bei Kopfneigung nach links
Video-Nystagmographie: kein pathologischer Spontannystagmus; kalorische Untererregbarkeit des linken horizontalen Bogengangs
Gefäß-Nervkontakt links (VIII. Hirnnerv)
Beschwerden des Patienten:
Schwindel (mal mehr, mal weniger, täglich zig-mal auftretend, Bruchteil einer Sekunde bis ein paar Sekunden dauernd; subjektiv bei Kopfbewegungen) seit fast 3 Jahren
Permanentes Druckgefühl am linken Ohr
Fallweise Kribbeln, Spannungsgefühl linke Gesichtshälfte, Kieferbereich, Mundwinkel
Druckgefühl im Kopf
Unterberger-Tretversuch: Abweichung um 45 Grad nach links (Selbsttest, mehrmals reproduzierbar)
Positives Ansprechen auf Carbamazepin (Beschwerdelinderung, keine Beschwerdefreiheit, Abbruch aufgrund allergischer Reaktion bei 400mg/d)
So, jetzt mal angenommen, ich hätte die Testergebnisse und das MRT schon nach wenigen (am besten, nach den ersten) Arztbesuchen gehabt und wäre vorher nicht durch zig Arztpraxen gezogen, wäre dann auch noch die Vermutung im Raum, dass das alles emotional begründet ist?
Ich frag mich schon, wie viele Indizien (ich vermeide das Wort Beweise) benötigt es noch, um seine Aufmerksamkeit einer körperlichen Ursache zu widmen und nicht den Patienten mit der Psycho-Keule zu erschlagen?
Oft habe ich den Eindruck, viele Ärzte wollen die Spitze der Bedürfnis-Pyramide erklimmen und sie ganz allein besetzen. Da wird aus Religionen, Philosophie-Büchern alles mögliche, was ins eigene Weltbild passt, geklaut und zusammengetragen. Mit der Pareto-Regel kommt man wohl ganz gut durch’s Leben, nur frage ich mich schon, ob das mit der (angedachten) Ethik des Ärzteberufes vereinbar ist. Wenn man sich die Pareto-Regel verinnerlicht, dann wird deutlich, dass die zweite Seite der Medaille so ausschaut: Die meisten, unbequemen und unlukrativen Patienten werden medikamentös „beruhigt“ und zur Dauerkundschaft gemacht. Eigentlich zum Speiben …
Interessanterweise kann ich von einer Ärztin berichten, die ebenfalls 3 MRT-Anläufe benötigte, um ihre Zyste nachzuweisen. Wurde dann operiert (allerdings anderes Gebiet als Schädel) Komisch, dass man nicht beim ersten Mal schon gesagt hat: Da ist ja nix und sie bilden sich das nur ein. Offenbar benötigt man eine gewisse Hartnäckigkeit und/oder Einblick in die (schlampige) Funktionsweise des Systems, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Ich höre von Neuroradiologen, die oft Patienten haben, die jahrelang im Kreis laufen, bis endlich die richtige Diagnose gestellt wurde. Warum ist dann auf einmal so vieles emotional begründet?
Ich glaube, es ist in den letzten Jahren extrem populär geworden, vieles auf die Psyche/Seele zu schieben. Es wächst eine neue Ärztegeneration heran, die nicht mehr so gespreizt herumläuft, die eine „Work-Life“-Balance inhaliert hat, die lieber in der Wahlarztpraxis gutes Geld verdienen will, als am Land in der Kassenpraxis Dienst 24/7 zu schieben. Diese Leute haben aber den Beruf verfehlt; mach ich meinen Beruf des Geldes oder der „Berufung“ wegen? Manche dieser Ärzte sind vielleicht schon mal selber vor der Situation gestanden, dass „auf einmal alles zuviel wird“, und wissen um den Einfluss von Stress/Psyche auf das Wohlbefinden. Und verteilen diese Diagnose dann undifferenzt mit der Gießkanne … ein paarmal wird es ja schon stimmen und zutreffen.
Voriges Jahr wurde ich während eines Krankenstandes zur Krankenkasse zitiert. Nachdem ich 2 Minuten die Chance hatte mein Leid zu klagen, kam wie aus der Pistole geschossen: „Na glauben Sie nicht, dass das alles psychisch ist? Immerhin weiß man, dass 50% der Erkrankungen einen psychischen Hintergrund haben.“
Ich halte solche Ärzte für brandgefährlich. Ich weiß wie man „Studien“ macht (meist sind es Pseudostudien), ich weiß, wie man Statistiken so hinbiegt, dass die Aussage passt. Und ich weiß, wie oberflächlich solche Ergebnisse gelesen werden. Entweder haben die Psychopharmaka-Hersteller und Reha-Zentren Betreiber so eine starke Lobby oder man will, aus ökonomischen Gründen, die Gesundheitsausgaben weiter senken und ein paar Tabletten sind auf Dauer billiger als eine kausale Lösung des Problems (mit entsprechender, zeitintensiver Aufarbeitung der Krankengeschichte).
Was ich erlebe, ist eine Erosion des generellen Bildungsniveaus, jeder Schas wird heute akademisch angeboten, Leute maturieren, kommen aus der Schule und haben keine Ahnung vom Leben, sondern nur davon, sich in einem System perfekt zu verstecken, sich anzupassen und mit wenig Aufwand das Ziel zu erreichen. (Nein, ich arbeite nicht im Bildungsbereich.) Und da nehme ich Mediziner gar nicht davon aus … Vor 10 Jahren war es noch ein Qualitätsmerkmal zu einem Wahlarzt zu gehen, heute hat jeder Durchschnitts-Doc seine Privatordi und ist das Geld nicht wert, weil mehr als Standarddiagnosen bringen viele nicht zusammen. Über den Tellerrand zu blicken bedeutet für mich nicht, in jedem schwierigen Patienten ein potentielles, emotionales Opfer zu sehen, sondern querzudenken, Dinge zu hinterfragen (und wenn es die Diagnose des Kollegen ist). Hab jetzt keine einzige Folge gesehen, aber ich denke, so funktioniert’s bei Dr. House .
Im Übrigen finde ich Ihre Zahlen über Videos/Patienten etc. interessant. Da ist wohl auch ein gewisses, wirtschaftliches Interesse nicht von der Hand zu weisen. Wobei ich das nicht veruteile, sondern anerkennend finde. Sie haben offenbar nicht nur ein Faible, sondern auch ein Talent für Prozessorganisation und gehen einen sehr effizienten Weg (nehme an, Sie haben das gelernt). Wenn Sie aber dennoch mal ein wenig über den Tellerrand blicken wollen, dann gibt es da draußen auch genug Leute mit körperlichem Leid, die sich über Hilfe freuen würden. Obdachlose, Ärzte ohne Grenzen braucht immer wieder Leute etc. Vielleicht machen Sie das eh schon oder haben das gemacht. Soll nur ein Denkanstoß sein.
Und ich glaube nicht, dass meine NC’s unerfahren sind und eine OP-Indikation „einfach so“ stellen. Natürlich ist man immer dem latenten Risiko ausgesetzt, dass man einem OP-geilen Jungarzt gegenübersitzt. Da aber alles durch Gremien muss und sein direkter Kollege ein sehr erfahrener NC ist, gehe ich davon aus, dass man hier sehr gut abgewogen hat. Habe mittlerweile von einigen Ärzten, deren Patienten wiederum von diesem NC operiert wurden, nur Gutes gehört.
Ich hoffe, Sie können mit Ihrer Zyste im Kopf bis an Ihr Lebensende unbeschwert leben. Wie man weiß, macht nicht jeder Bandscheibenvorfall Probleme, nicht jede Zyste tangiert Strukturen bzw. können sich Strukturen anpassen. Aber dennoch gibt’s welche, die das nicht machen, sonst wäre ja jede Operation wertlos und bringt keinen Erfolg. Wenn dem so ist, dann würde man wohl irgendwann resignieren und zur Kenntnis nehmen, dass eine OP nix bringt. Da aber weiter operiert wird, gehe ich davon nicht aus.
Zum Schluss brennt mir noch eine Frage unter den Nägeln: Wenn Sie meine o. a. Testergebnisse, MRT-Befunde zur Kenntnis nehmen, die ganzen Postings hier vergessen, und nur eine Frage beantworten müssten, nämlich jene: “Körperliches Problem oder eher doch emotional?“, was wäre Ihre Antwort?
Weil ich das gerade gefunden habe (in einem anderen Forum) und so schön dazu passt … “It’s all in your Head.”
Meine Lieblingsstelle ist bei Minute 33: “Rare Disease isn’t rare, it’s 1:10”; Was weiß, vielleicht auch alles nur Propaganda und heiße Luft … aber interessant.