Eltern dürfen zudem «rettende Geschwister» schaffen
Das britische Unterhaus hat der umstrittenen Erzeugung von Embryonen aus menschlichem Erbgut und tierischen Eizellen für die Stammzellenforschung zugestimmt. Ausserdem dürfen Eltern mit einem kranken Kind durch künstliche Befruchtung ein Geschwisterkind zeugen, das Gewebe oder Organe spenden kann.
Die einen hoffen auf neue Erkenntnisse im Kampf gegen bislang unheilbare Krankheiten, die anderen sprechen von «monströsen Auswüchsen» der Stammzellenforschung. Die Erzeugung von Hybrid-Embryonen aus menschlichem und tierischem Material, auch Chimären genannt, ist höchst umstritten. In Grossbritannien haben die Pläne der Regierung zur Ausweitung der Forschung auf diesem Gebiet jetzt eine wichtige Hürde genommen.
Das Unterhaus lehnte nach heftiger Diskussion mit 336 zu 176 Stimmen einen Antrag zum Verbot der Forschung mit Embryonen ab, die aus einer tierischen Eizelle und menschlichem Erbgut hergestellt werden. Wissenschaftern zufolge sollen die Embyos nicht älter als 14 Tage werden dürfen und den Mangel an menschlichen Embyonen für die Forschung ausgleichen.
Das geplante Gesetz könnte bereits 2009 in Kraft treten. Damit soll die Erzeugung dieser Embryonen generell für die Forschung erlaubt werden. Schon bisher hatten Wissenschafter in Grossbritannien die Chimären mit einer behördlichen Sondergenehmigung hergestellt. Forscher injizieren dabei menschliche DNA in die leere Eizelle einer Kuh oder eines Kaninchens. Mit Stromstössen wird das Ei dann zur Teilung angeregt und entwickelt sich zu einem frühen Embryo, dem Stammzellen entnommen werden können.
Premierminister Gordon Brown hatte sich vor der Abstimmung für die Verwendung von Chimären-Stammzellen ausgesprochen. Er forderte die Parlamentarier auf, für ihre Herstellung zu stimmen, um so möglicherweise Millionen Menschen mit unheilbaren Krankheiten das Leben zu retten. Solche Massnahmen einzuführen «schulden wir uns selbst und künftigen Generationen», schrieb Brown in der Zeitung «The Observer». In diesem Zusammenhang wird immer wieder darauf verwiesen, dass der zweijährige Sohn des Regierungschefs an der unheilbaren Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose leidet.
Kritiker fürchten, solche Embryos könnten letztlich zu gezielten genetischen Modifikationen und zu «Designer-Babys» führen. Die Abgeordnete Ann Widdecombe von den oppositionellen Konservativen sagte im Sender GMTV, es gebe keinerlei Beweise dafür, dass eine Nutzung von Hybrid-Embryonen tatsächlich Millionen Menschen retten werde. Ihr Parteikollege Edward Leigh erklärte, die Technik gehe zu weit. «Wir sind die Kinder, die mit Landminen spielen, ohne eine Ahnung von den Gefahren der Technologie zu haben, mit der wir umgehen», sagte er.
«Rettende Geschwister» erlaubt
Das Parlament lehnte zudem den Antrag, die Erzeugung von «rettenden Geschwistern» zu verbieten, mit einer Mehrheit von 179 Stimmen ab. Demnach ist es erlaubt, dass Eltern mit einem kranken Kind mit Hilfe der künstlichen Befruchtung ein Geschwisterkind zeugen, das genetisch zum ersten Kind passt und so Gewebe und Organe für dieses spenden kann. Das zweite Kind kann zum Beispiel Knochenmark spenden, um das Leben des ersten zu retten. Kritiker monieren, dass die künstlich gezeugten Kinder dann mit der Tatsache leben müssten, dass sie vermutlich nur geboren worden seien, damit ein älterer Bruder oder eine ältere Schwester überleben könne.
Grossbritannien festigte mit den beiden Entscheidungen seinen Ruf als europäisches Land mit der liberalsten Haltung in der Embryonal- und Stammzellenforschung. In der Schweiz – wie auch in Deutschland, Österreich, Italien oder Frankreich – ist Forschern die Schaffung menschlich-tierischer Embryonen verboten.
Quelle: NZZ-Online