Sehr geehrter Herr Dr. Belsky!
Mir wurden vor 4 Wochen 7 Zähne (18, 28, 38, 48, 47, 37, 36) in einem Klinikum für MKG – Chirurgie gezogen (in ITN aufgrund von Allergien). Die ganzen Wunden wurden vernäht. Auf der rechten Seite hinten unten (wo die Zähne 48 und 47 waren) ist die Naht schon nach 3 Tagen auf gegangen und ist seit dem bis zum Knochen offen. Seit dem habe ich auf der rechten Seite starke Ohrenschmerzen, so wie ein Druckschmerz auf dem Ohr. Die Schmerzen strahlen auch den Unterkiefer entlang. Meine Lymphknoten unterhalb meines rechten Ohres sind stark angeschwollen. Ich war am 7.10.08 noch mal zur Kontrolle im Klinikum. Der Arzt meinte die Ohren und Kieferschmerzen kommen daher weil der Knochen frei liegt. Er möchte noch gern 2 Wochen (bis zum 21.10.08) warten, weil er hofft das es von alleine zu wägst, sonst würden sie die Wunde noch mal auffrischen und vernähen. Nun meine Fragen! Woher können die Ohren und Kieferschmerzen noch kommen? Sagt man nicht wenn die Lymphknoten geschwollen sind das es sich um eine Entzündung handeln kann? Nun ist schon fast eine Woche rum und es hat sich nichts verbessert, ich habe anhaltend starke Schmerzen und die Wunde ist auch nicht weiter zu gegangen. Sollte ich eher noch mal zum Arzt gehen oder denken Sie man sollte ruhig noch warten?
Sehr liebe Lydia!
Natürlich bilden Sie sich Ihre Schmerzen ein – so wie wir alle … was meine ich damit? Ich hole ein bisschen aus …
Die Entstehung des Schmerzes läuft grob folgendermaßen ab:
Zunächst bewirkt die Verletzung des Gewebes eine Freisetzung von gewissen Substanzen (ATP, Protonen, Sauerstoff-Radikalen, Kalium-Ionen, Arachidonsäure, …)
Ein Enzym namens Cyclooxygenase welches sowohl in der Wand von Blutgefäßen, als auch in Immunzellen gebildet wird, wandelt die aus der Zellmembranen der geschädigten Zellen freigesetzte Arachidonsäure in Prostaglandin E2 um.
Aus den Gefäßwänden, genauer aus der innersten Schicht der Gefäßwände – dem Endothel, werden aber auch noch andere Substanzen ausgeschüttet, z.B. Kinine, diese werden in Bradykinin umgewandelt.
Immunzellen (Mastzellen) setzen den Inhalt ihrer Granula frei (Degranulation), u. a. Histamin.
Dieser Entzündungscocktail bewirkt die Bildung von Stickstoffmonoxid (NO) in den Gefäßwänden, dadurch kommt es zur Gefäßerweiterung. Hierdurch kommt es zu einem lokalen Ödem – das ganze schwillt an, die Schwellung – also das Ödem ermöglicht es Immunzellen leichter zum Ort des Geschehens vorzudringen, einfacher in das geschädigte Gewebe einzutreten.
Dieser periphere Cocktail beeinflusst auch unser Hirn, auch dort werden “Hormone” gebildet, z.B. Zytokine IL-1, IL-6 und TNF führen im ZNS zur Entstehung von Fieber.
Alle Schmerzmediatoren erregen über spezifische Rezeptoren auch die Nozizeptoren, d. h. die freien Nervenendigungen, die für die Schmerzfortleitung verantwortlich sind. Durch diese Erregung kommt es zum sogenannten Neurogenen Reflex:
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[*]Die Nozizeptoren sensibilisieren selbst und erregen sog. schlafende Schmerzrezeptoren in der unmittelbaren Umgebung. Somit verstärken sie den Schmerzreiz und es kommt zur Neurogenen Entzündung.
[*]Durch NGF werden die Nervenfasern zum Aussprossen angeregt. Sie wachsen auch in das umliegende Gewebe ein. Dies und das Wecken schlafender Rezeptoren führt dazu, dass auch das an die Schädigung angrenzende Gewebe schmerzempfindlich wird.
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Diese grobe Auflistung soll verdeutlichen was sich alles in der Peripherie “tut” bei Schmerz … das ganze wird noch durch zentrale (also im Hirn) ablaufende Regulationsmechanismen “verkompliziert”
Im Endeffekt entsteht Schmerz also aus einer Mischung von chemischen Substanzen und unserem Hirn! Kein Hirn, kein Schmerz!
Ein Schmerzspezialist kennt diese Abläufe sehr genau und weiß, wo und wie er am besten ansetzt, denn manchmal gibt es keinen Reiz mehr in der Peripherie und diese Mechanismen arbeiten dennoch weiter – sogenannter Phantomschmerz.
Sie bilden sich also Ihren Schmerz nicht ein, der ist für Sie real, der auslösende Reiz könnte aber z.B. schon “weg” sein. Oder aber der Reiz ist noch da, durch die lange Dauer wird der Schmerz aber in seiner Qualität anders wahrgenommen … usw.
Also keine Sorge, Sie sind kein Dummerl, Ihre Beschwerden sind real – der Schmerzpatient hat immer Recht – nur sollte man auch daran denken, das Schmerz was sehr modulares ist …
Wichtig also – kein Doktorhopping … ich persönlich würde weg von der Klinik, hin zu einem Arzt – vielleicht auch privat zahlen … und am besten zu einem, der in einem Haus mit anderen sitzt … z.B. Kieferchirurg, Anästhesist, Neurologe …